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Dialog der Kulturen: Das multimediale Austauschprojekt »mediaXchange«

Ein deutsch-israelitisches Austauschprojekt der Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim Gallus stellte ihr Geschäftsführer und pädagogischer Leiter Daniel Rottner vor. Das Modellprojekt bewegte sich an der Schnittstelle zwischen Bildung, medialer und interkultureller Kommunikation sowie künstlerischer Produktion. Torsten Groß (Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit) lieferte einen Konzept-Impuls zur Anregung der Diskussion über interkulturelle Aspekte des Austauschprojekts »medieXchange«.


Medienprojekte schwächeln meist an ihrer Selbstbezogenheit: Die Konzentration auf die Medienpädagogik vernachlässigt oft die Kunst- und Kulturpraxis. Das Modellprojekt »mediaXchange« dagegen zeigt, wie sich künstlerischer Austausch und Medienarbeit konstruktiv verbinden lassen. Im Mittelpunkt des Projekts stand daher die Frage, wie die sinnliche Wahrnehmung und die höchst individuelle künstlerische Produktion in einen medialen Vernetzungs-Zusammenhang gebracht werden kann.

»mediaXchange« ist ein multimediales und virtuelles Austauschprojekt im Rahmen künstlerischer Projektarbeit mit Frankfurter Jugendlichen aus dem multikulturellen Milieu im Frankfurter Gallus-Viertel und Jugendlichen einer Jugendkunst-Schule in Israel. Es fand ein Austausch via Internet und CD-ROM statt, gearbeitet wurde in Workshops mit Fotos, Videos, Texten und Musik. Das Produkt der Begegnung und der gemeinsamen Arbeit entstand interaktiv: Der Programmierer kooperierte bei der ästhetischen Gestaltung und Entwicklung der Navigation der CD-ROM spürbar eng mit den Jugendgruppen, wodurch die künstlerisch-mediale Präsentationsform ein sehr hohes Niveau erlangen konnte.

Falkenheim meets Tel Aviv
Die Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim liegt mitten im Frankfurter Gallus-Viertel, einem traditionellen Arbeiterquartier, das besonders in den letzten 30 Jahren starke Veränderungen im interkulturellen Miteinander erfuhr. Die Einheit von Industriearbeit und Wohnen prägt das Leben im Quartier. Die Kultur des Gallus-Viertel ist die des Milieus eines Arbeiterviertels, die das vielfältige Tableau unterschiedlichster Identitätsentwürfe widerspiegelt – aber als »Arbeiterkultur« nur minoritäre Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit findet.

Die Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim will den Jugendlichen, von denen ca. 45% nichtdeutscher Herkunft sind, ihrem Anliegen – welches auch immer es sei – zu einem künstlerischen Ausdruck verhelfen, um im Austausch öffentliche Resonanz zu ermöglichen. Dabei geht es der Jugend-Kultur-Werkstatt darum, jede Neigung, jedes Talent der Jugendlichen aufzuspüren und ihnen ein entsprechendes Angebot zu machen.
Seit 1985 bietet die Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim Schulkurse in einer Ganztagesschule an. Seit 1990 führt sie darüber hinaus Projektwochen und Freizeitkurse durch. Für Aufsehen sorgte die Bildhauer-Werkstatt für straffällige Jugendliche sowie verschiedene bi- und multilaterale Projekt. In 2002 führte die Jugend-Kultur-Werkstatt in Kooperation mit dem Galluszentrum ein Medienprojekt mit einer neunten Realschulklasse durch, das den Auftakt für »mediaXchange« darstellte. Die Schüler/innen erhielten die Möglichkeit, sich selbst und ihre Lebenswelt darzustellen. Das Galluszentrum brachte Erfahrungen in der Medienarbeit und technische Mittel, die Jugend-Kultur-Werkstatt künstlerische Projekterfahrung mit. Unterstützt wurde das Projekt von Nortel Networks, unter www.falkschule.de kann man sich das fertige Produkt ansehen.

In Tel Aviv gestaltet die Jugendkunstschule »Art Ramat Eliyahu« den Kunstunterricht für mehrere Schulen aus der Umgebung, fördert palästinensische Künstler/innen und stellt Ausstellungsräume zur Verfügung.

In »mediaXchange« tauschten sich Jugendliche virtuell aus, wo ein realer Austausch nicht möglich ist: Jugendliche durften nicht aus Israel ausreisen und deutsche Jugendliche reisten nicht nach Israel, weil es ein gefährliches Land mit Bombenanschlägen und Unruhen war. Im virtuellen Austausch lernten die Jugendlichen sich gegenseitig kennen, mailten sich ihre Gedichte, Geschichten, Fotos und Filme zu. Leider bereiteten die Datenmengen oft Probleme, sodass auf CD-ROMs ausgewichen werden musste. Auch die fehlende Präsenz eines Technikers erschwerte oder verhinderte manches Mal die Online-Kommunikation.

Torsten Groß: Konzept-Impulse zur interkulturellen Medienarbeit

Gesellschaftliche Veränderungen durch kulturelle Globalisierung und Migration sind zwar keine grundsätzlich neuen Phänomene, nehmen in den letzten Jahren aber an Bedeutung zu. Nach meiner Einschätzung wird dies jedoch in der Kulturpraxis zu wenig thematisiert und diskutiert. Vielmehr wird allzu oft an Konzepten aus den 70er- und 80er-Jahre mehr oder weniger unreflektiert festgehalten oder sie werden eher oberflächlich »modernisiert«. Allmählich setzt sich aber in weiten Teilen interkultureller Kulturarbeit das Gefühl durch, in eine »Sackgasse« geraten zu sein. Es gibt nur wenige innovative Ansätze und gängige Konzepte multi- oder interkultureller Kulturarbeit scheinen keine trag- und zukunftsfähigen Antworten mehr auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu geben.

Mit diesem Impulsreferat möchte ich dazu motivieren und anregen, sich mit grundlegenden Fragestellungen interkultureller Kulturarbeit zu beschäftigen. Ich meine, dass es an der Zeit ist, gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund von kultureller Globalisierung und Migration/Integration neu zu reflektieren. Denn diese Aspekte sind im erweiteten Kulturverständnis aus den 70er-Jahren, das der Soziokultur zugrunde liegt, (noch) nicht thematisiert. Hier geht es hauptsächlich um Demokratisierung, um den humanistischen Gehalt der Kultur etc. Das sind wichtige Errungenschaften und v. a. vor dem Hintergrund der damaligen Zeit zu sehen. Aber in der aktuellen gesellschaftlichen Situation müsste dieses Kulturverständnis erneut reflektiert und erweitert werden um Aspekte der Verfasstheit von Kulturen und des Verhältnisses von Kulturen zueinander.

Für diese Reflexion erscheint mir als theoretischer Rahmen das Konzept der Transkulturalität von Wolfgang Welsch sehr hilfreich, das er ausgehend von der Kritik am Kulturverständnis von Multi- und Interkulturalismus entwickelt hat.

Wolfgang Welsch geht davon aus, dass die Konzepte von Multikulturalität und Interkulturalität, die in der (kultur-)politischen Diskussion verwendet werden, beide auf einem traditionellen Kulturverständnis basieren. Dieses traditionelle Kulturverständnis ist charakterisiert durch drei Hauptkriterien:
• ethnische Fundierung,
• Homogenisierung nach innen und
• Abgrenzung/Abschottung nach außen.

Exkurs: Unterscheidung zwischen Multi- und Interkultur im alltäglichen Sprachgebrauch.
Multikultur legt im positiven wie im negativen Sinn eine starke Betonung auf kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Ethnien. Homogenisierung, Abgrenzung und ethnische Fundierung sind explizit zentrale Aspekte des Kulturverständnisses (siehe z. B. die Diskussion um deutsche Leitkultur / deutsche Nationalkultur) Das Konzept der multikulturellen Gesellschaft wurde von »Links-Alternativen« (u. a. Cohn-Bendit) entwickelt, inzwischen wird der Begriff allerdings in unterschiedlicher Ausprägung benutzt. Im fortschrittlichen Sinn steht er für ein buntes Nebeneinander verschiedener ethnischer Kulturen, im »konservativen« Sinn wird besonderer Wert darauf gelegt, dass eine Gesellschaft / ein Volk nur ein bestimmtes Maß an fremder Kultur vertragen kann und nur Assimilation der Migrant/inn/en ein friedliches Miteinander garantieren kann. Und die so genannte »Neue Rechte«, die Multikulturalität vor einiger Zeit für sich entdeckt hat, spricht vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, das aber möglichst auf jeweils eigenem Territorium vollzogen werden soll.
Interkultur betont stärker den Austausch und die Kommunikation zwischen Kulturen, bleibt dabei aber im Allgemeinen auch dem traditionellen Kulturverständnis im Sinne abgrenzbarer homogener Einzelkulturen verhaftet. D. h. dem kulturellen Wandel und dem Entstehen neuer kultureller Erscheinungsformen wird zwar mehr Aufmerksamkeit geschenkt, doch auch das Neue wird dann wieder als klar abgegrenzte homogene ethnisch fundierte Kultur gesehen. Inklusion und Exklusion, das Dazugehören oder Nichtdazugehören, sind also zentrale Aspekte sowohl des Multi- als auch des Interkulturalitäts-Konzeptes.

Ein solches traditionelles Kulturverständnis trifft nach Wolfgang Welsch auf die Realität moderner Gesellschaften deskriptiv nicht zu, legt irreführende Schlussfolgerungen nahe und ist daher normativ gefährlich.
Auf die Unangemessenheit des traditionellen Kulturverständnisses für moderne Gesellschaften will ich hier nicht näher eingehen. In der kulturpolitischen Diskussion um kulturelle Globalisierung wurde dies in letzter Zeit intensiv thematisiert.1 Auch die öffentliche Diskussion um die »deutsche Leitkultur« machte deutlich, wie schwer es selbst den Protagonist/inn/en fällt, eine »deutsche Nationalkultur« klar zu definieren und sie von anderen »Nationalkulturen« abzugrenzen.
Die normative Gefahr des oben beschriebenen Kulturverständnisses ergibt sich hauptsächlich aus der Verbindung der drei genannten Kriterien (ethnische Fundierung, Homogenisierung nach innen und Abgrenzung/Abschottung nach außen).
Denn geht man von der Existenz homogener klar abgegrenzter Einzelkulturen aus, dann müssen diese sich gleichsam zwangsläufig konflikthaft gegenüber stehen - denn das Trennende, die kulturellen Differenzen spielen dann für die kulturelle Selbstvergewisserung eine zentrale Rolle, sie sind konstitutiv für die eigene kulturelle Identität. »Das klassische Konzept schafft durch seinen Primärbezug - den separatistischen Charakter der Kulturen - das Sekundärproblem der schwierigen Koexistenz und strukturellen Kommunikationsunfähigkeit dieser Kulturen. Daher wird dieses Problem auf der Basis dieses Konzeptes nicht gelöst werden können.«2

Nimmt man dazu die ethnische Fundierung von Kultur, so werden interkulturelle Konflikte als letztlich ethnisch begründet angesehen. Und da die Ethnie als unveränderbare Kategorie verstanden wird, können diese Konflikte auch nicht durch »Lernprozesse« aufgelöst werden. Das lässt sich auf die vereinfachende Formel bringen: interkulturelle Konflikte = ethnische Konflikte = grundsätzlich nicht lösbar - außer durch einseitige Assimilation der Migrant/inn/en an die Mehrheitskultur.
Dies sind nicht nur theoretische Überlegungen, sondern es gibt faktische Auswirkungen in der Kulturarbeit ebenso wie in der Politik und im Alltagsleben. MigrantInnen sehen sich in ihrem Alltag – auch von »aufgeklärten oder liberalen Menschen« – vielfachen Verhaltenszumutungen (Mark Terkessidis) ausgesetzt. Sie werden zu Repräsentanten ihrer – stereotypisierten – Herkunftskultur oder -ethnie gemacht. Die »Schwarze Deutsche« May Ayim beschreibt dies anschaulich: »Viele Leute setzen voraus, dass ich einen besonderen Bezug zu Afrika habe, auch wenn ich erkläre, dass ich nie dort gelebt habe. Sie erzählen mir, dass sie in Afrika waren, einen Trommelworkshop gemacht haben und es faszinierend finden, wie Afrikaner tanzen … Ich frage mich immer, warum die mir das alles erzählen. Wenn sie dann tatsächlich merken, dass ich keine afrikanische Sprache spreche und nicht afrikanisch tanzen kann, lässt das Interesse schnell nach.« (»Drei afro-deutsche Frauen im Gespräch«, in: Ayim, May (2002): Grenzenlos und unverschämt, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, S. 25).
Warum wird Deutschen (mit Ausnahme von deutschstämmigen Aussiedler/inne/n) nicht so begegnet?

Welsch stellt dem traditionellen Kulturverständnis des Multi- und Interkulturalismus das Konzept der Transkulturalität gegenüber. Dies geht davon aus, dass Kulturen bis in ihren Kern von Durchmischungen, Überlagerungen, Übergängen gekennzeichnet sind. Sie sind keine klar abgegrenzten homogenen sondern hybride »Gebilde« und Kultur ist »an sich« nicht ethnisch fundiert. Auch Individuen bedienen sich aus den kulturellen Angeboten je nach Bedarf, meist ohne sich an »ethnischen Unvereinbarkeiten« zu stören. So gibt es (in Bayern) viele Jugendliche, die in der HipHop-Szene aktiv sind, Ohrringe oder Piercings tragen und gleichzeitig einmal in der Woche im Verein Volkstanz betreiben und bei traditionellen Dorffesten engagiert sind.

Für Gesellschaftsbeschreibungen hat sich das Bild eines pluralistischen, offenen, hybriden »Gebildes« längst durchgesetzt, auch auf der Ebene der Individuen geht man von individualisierten Patchworkidentitäten aus. Doch in Bezug auf kulturelle Fragestellungen hält sich das Bild vermeintlicher Homogenität erstaunlich hartnäckig.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen will ich betonen, dass das transkulturelle Kulturverständnis weder die Entstehung von Konflikten aufgrund unterschiedlicher kultureller Orientierungen noch die Bedeutung ethnischer Aspekte in Abrede stellt. Vielmehr ermöglicht es einen offenen Blick auf kulturelle Prozesse in der Einwanderungsgesellschaft jenseits einer Verkürzung auf nur ethnische Aspekte und Ursachen, die dann in ihrer jeweiligen tatsächlichen situations- und kontextbezogenen Bedeutung gesehen werden können. Denn in modernen Einwanderungsgesellschaften sind Durchmischungen, Abgrenzungs- und Homogenitätsbestrebungen, Selbst- und Fremdethnisierungen in verschiedenen Gruppen, Bereichen bzw. Kulturen der Gesellschaft unterschiedlich ausgeprägt. Sicherlich gibt es gesellschaftliche Milieus, in denen eine relativ homogene Kultur auch über einen längeren Zeitraum stabil aufrechterhalten und gepflegt wird. Diese stellt dann den zentralen Bezugspunkt für die kulturelle Identität seiner Mitglieder dar. Das gilt für manche Gruppen von MigrantInnen4 ebenso wie für einige Erscheinungsformen traditioneller »Einheimischen-Kulturen«, religiöser Sekten oder einzelner »popkultureller Subkulturen«, die sich zum Teil bewusst und deutlich von anderen kulturellen Orientierungen absetzen wollen.5
Weiter verbreitet sind aber kulturelle Milieus die in sich nicht homogen sind und sich auch gegen andere Szenen oder Kulturen nicht klar abgrenzen lassen. »Gibt es nicht viele 'deutsche Kulturen', die sich, je nach Region, gesellschaftlicher Gruppe, Generation, kulturellen Interesses, Milieus und was auch immer unterscheiden? Gibt es nicht auch ohne MigrantInnen 'Parallelgesellschaften' und sich überlagernde 'Identitäten'?« (Wagner, Bernd (2000): »Multikultur als 'Leitkultur'. Ein ärgerlicher Anlass und eine notwendige Diskussion«, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Heft IV/2000, S. 40)

Transkultureller Blick auf Kulturarbeit
Ein »transkultureller Blick« trägt dazu bei, sensibler für die weit verbreitete ethnisierende Sichtweise auf MigrantInnen zu werden und in der Folge Begriffe und Konzepte wie kulturelle, ethnische oder nationale Identität, Kulturstandards, Integration etc. kritisch zu hinterfragen und eine differenziertere Meinung zu der Thematik zu entwickeln. Ich plädiere dafür, genauer hinzuschauen, gängige Erklärungsmuster für vermeintlich ethnische Stereotype, Unterschiede oder Konflikte in Frage zu stellen, neue »offenere« Antworten zu suchen und daraus auch konkrete Konsequenzen für die kulturelle Praxis zu ziehen.
Ziel einer entsprechenden Kulturarbeit wäre es, einen Beitrag zu leisten zu einer Integration (im transkulturellen Sinn) als zivilgesellschaftlichem Prozess, in dem Differenzen, Konflikte und Uneindeutigkeiten genauso ausgehalten werden wie Harmonie oder Homogenität und in der Differenzen und Konflikte als veränderbare Herausforderungen auch zur gegenseitigen Bereicherung angesehen werden. Und das unabhängig von ethnischen Aspekten oder Zuschreibungen.
Interkulturalität in der Kulturarbeit sollte nicht nur eine »Spezialdisziplin«, sondern als Querschnittsaufgabe selbstverständlicher Bestandteil jeder Kulturarbeit sein, die sich auf die Lebenswelten der im Stadtteil bzw. in der Stadt lebenden Menschen bezieht.
Darüber hinaus gilt es, ein stärkeres Gewicht auf gemeinsame Interessen und auf kulturelle Überschneidungen zu legen, um damit ein Gegengewicht zur weit verbreiteten Überbetonung des Trennenden zu setzen.
In dieser Hinsicht sehe ich das Projekt »medaXchange« als wohltuende »Ausnahme« zu gängigen interkulturellen Projekten. Denn Ansatzpunkt ist das Interesse der Jugendlichen an der Medienarbeit, interkulturelle Aspekte ergeben sich von selbst und werden nicht »problematisiert«.
Damit sollen Ansätze der Begegnung zwischen Deutschen und »Fremden«, die im Kern auf ethnischen Kriterien aufbauen, nicht grundsätzlich abgelehnt werden. Vielmehr ist selbstkritisch zu hinterfragen, inwieweit ethnische Stereotype unreflektiert bedient werden und welche nicht intendierten Wirkungen mit einem solchen Ansatz verbunden sein können. Interkulturelle Arbeit ist auch immer eine Gratwanderung zwischem einem sensiblen Beachten und einem Überbewerten – im Negativen wie im Positiven – kultureller Unterschiede.

Fragestellungen, die bei der Konzipierung interkultureller Projekte eine zentrale Rolle spielen könnten:
· Welche Funktion haben ethnische Aspekte bzw. der ethnische Hintergrund der Beteiligten im Projekt? (Inwieweit sind MigrantInnen "Stellvertreter" ihrer Ethnie/ihrens Herkunftslandes? Wird den MigrantInnen eine Sonderstellung zugeschrieben? Dienen sie womöglich nur als "Alibi"? …)
· Was charakterisiert die Zielgruppen – jenseits von ethnischen/nationalen Kriterien? An welchen gemeinsamen Interessen lässt sich ansetzen?
· Inwieweit wird einer Homogenisierung/Stereotypisierung/Vereinfachung/Folklorisierung von Kultur Vorschub geleistet bzw. entgegengewirkt?
· Wie lässt sich der strukturellen Benachteiligung von MigrantInnen entgegenwirken und ihre gleichberechtigte Mitgestaltung/Partizipation fördern?
· Wie lassen sich bei den Beteiligten Reflexionsprozesse über die gesellschaftliche Konstruktion von Fremdheit, ihre Hintergründe und Auswirkungen anregen?
· Worin soll der interkulturelle Dialog konkret bestehen und welche konkreten Ziele/Auswirkungen streben wir an?
· Inwieweit stallt das Projekte einen "Ermöglichungsraum" für gesellschaftliche Zukunftsentwürfe dar?



Anmerkungen:
1 Siehe z. B. Wagner, Bernd (Hrsg.) (2001): Kulturelle Globalisierung. Zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung, Essen oder verschiedene Aufsätze in Kulturpolitische Gesellschaft (Hrsg.) Kulturpolitische Mitteilungen Heft IV/200.
2 Wolfgang Welsch: Transkulturalität 1997, http://www.tzw.biz/www/home/print.php?p_id=409
3 Siehe Anmerkung 1.
4 Ein Beispiel, das erst kürzlich durch die Medien ging, ist die Glaubensgemeinschaft »Zwölf Stämme«, die sich weigert, ihre Kinder in eine öffentliche Schule zu schicken, da sie dort mit falschen Werten erzogen werden würden. »Wir wollen unsere Kinder nach biblischen Grundsätzen erziehen, was staatliche Schulen nicht so vermitteln«, um sie »von der Welt unbefleckt« zu halten, wie sie sagen (TAZ, 7.11.2002).
5 Hier spielt auch die Wechselwirkung von Fremd- und Selbstethnisierung eine Rolle.


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