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Ganztagsschulen – Neue Konzepte der ästhetischen Bildung
Sylvia Deinert
(Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendkultur, FUNDUS-Theater) 28 Workshop - TeilnehmerInnen.

In der Runde der TeilnehmerInnen besteht großer Bedarf, einen Einblick in eventuell schon bestehende Konzepte der Bildungsbehörde für die Ganztagsschulen zu bekommen. Es wird deshalb auch sehr bedauert, dass Herr Rother (Oberschulrat) nicht am Workshop teilnehmen kann.
Sylvia Deinert gibt aus ihrem Einblick die gegenwärtig recherchierbaren Informationen zur Einrichtung von Ganztagsschulen weiter:
In Hamburg existieren, je nachdem ob auch die verschiedenen Sonderschulen mitgezählt werden, etwa 24 bis 38 Ganztagsschulen von denen nur zwei nachmittags absolut verpflichtende Angebote haben. Ab 2004 sollen jährlich neue hinzukommen – für nächstes Jahr wird von ca. 20 neuen Ganztagsschulen gesprochen. Als Grundlage für die Umwandlung von Schulen in Ganztagsschulen diente bisher die etwa 5 Jahre alte Hamburger Lern-Ausgangslagen-Untersuchung (LAU). Danach wird in benachteiligten Stadtteilen, mit vergleichsweise schlechten Lern-Ausgangs-Voraussetzungen, die Ganztagsschule zuerst eingeführt. Eine offizielle Liste welche Schulen definitiv umgewandelt werden ist noch nicht veröffentlicht. Informationsmaterial zu Situation und Rahmenrichtlinien ist unter www.ganztagsschulverband.de/LandesverbandHamburg zu bekommen.

Die Vorbereitungszeit der betroffenen Lehrkräfte zur sinnvollen Nutzung der besonderen Chancen und Herausforderungen in Ganztagsschulen, erscheint den Beteiligten sehr kurz. Besonders kritisch wird die Umwandlung unter der Maßgabe der neu eingeführten Funktionszeitwerte gesehen. Diese, wahrscheinlich zum August 03 in Kraft tretende Aufwandsbewertung zur Berechnung der Lehrerarbeitszeit, gilt nicht nur für die unterschiedlichen Fächer, sie ist auch für (fast) alle anderen Lehreraktivitäten vorgegeben. Die zur Zeit vorliegende Einteilung und Bewertung der Arbeit, berücksichtigt schon jetzt wichtige Aufgabenfelder, die zur musischen Bildung von Kindern gehören, nicht oder in unzureichendem Maße.
Es gibt zur Zeit auch keine Verpflichtung zur Durchführung von Exkursionen, Projekten oder Praktika. Solche Aktivitäten verursachen ab Inkrafttreten der zeitwerteabhängigen Unterrichtsplanung zusätzlich einen hohen Kalkulations- bzw. Abrechnungsaufwand und verursachen einen Arbeitszeitnachteil für Fachlehrer, da sie nur einem Klassenlehrer voll angerechnet werden. Die bürokratisierende Zeittaktung scheint danach pädagogische Kriterien so zu überlagern, dass diese Unterrichtsformen aufgegeben werden müssen. Dabei schienen gerade Ganztagsschulen im Bereich ästhetischer Bildung zukünftig erweiterte Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung zu bieten.

Da sich die Diskussion zunehmend der Kritik schulischer Strukturen widmet, kommt der Einwand, dass man nicht den Eindruck erwecken sollte, Schule und LehrerInnen brächten es nicht und jetzt sollen die Kulturschaffenden da mal ran. Es könne auch nicht darum gehen Billigmodelle für die Nachmittagsstunden in Ganztagsschulen zu konzipieren, d.h. pure Beschäftigungs- bzw. Bereuungskräfte mit sehr geringen Honorarätzen zu veranschlagen. Eine angemessene Stundenvergütung macht die Existenz und damit den Einsatz kompetenter freischaffender Künstler und Kulturpädagogen in diesem Bereich überhaupt erst möglich.
Da die Schaffung neuer Strukturen auch immer finanzielle Aspekte berühren, erinnert Sylvia Deinert daran, dass der Einsatz von Geldern danach erfolgt, welche Argumente als plausibel vermittelbar erscheinen. Plausibilität ist immer eine Frage des Blickwinkels.
Es scheint an der Zeit die Bedingungen heutiger Kindheit und die durch Studien erhärteten Erfahrungen aus der Praxis, als Gründe für eine Intensivierung ästhetischer Bildung besonders bei der ganztägigen Beschulung anzuerkennen.
Die Chancen, die sich aus einer Vernetzung von Schule mit den in Jahrzehnten gewachsenen Strukturen kultureller Angebote in dieser Stadt ergeben könnten, sind sehr groß. Es gilt, sie für die Bildung der Kinder zu nutzen, ja aktiv mitzugestalten.

Erwerb von Schlüsselkompetenzen zur Eigenverantwortung
durch gute Bildungsdichte

Sylvia Deinert stellt die Ergebnisse vor, die innerhalb der LAG Kinder- und Jugendkultur in der Arbeitsgruppe Ganztagsschulen entstanden sind. Gute Bildungsdichte entsteht demnach durch eine gesicherte Grundbildung, durch projektbezogene Experimentierfelder und durch eine funktionierende Individualförderung. Diese drei Aspekte sollten alle altersgemäßen Bildungsstufen durchdringen, und ein entsprechendes Angebot auch im Bereich der ästhetischen Bildung nicht dem Zufall überlassen bleiben.
Aufgrund der kürze der Zeit bietet sich an, konkret und exemplarisch anhand bereits durchgeführter Kooperationen Punkte zu sammeln, deren Klärung und Sicherung für weitere Kooperationen grundlegend wäre. Die Aspekte Grundbildung, Experimentierfelder und Individualförderung. bilden im weiteren Workshopverlauf die Matrix, nach der Chancen und Synergieeffekte, sowie eventuell derzeit fehlende Rahmenbedingungen untersucht werden.

Qualität und Kontinuität
Die Zusammenarbeit von außerschulisch, subventionierten Institutionen und Schulen in besonderen Projekten wurde als fruchtbar beschrieben. Eine dauerhafte Zusammenarbeit überstiege jedoch häufig die bestehenden Ressourcen von z.B. Stadtteilkulturzentren. Kontinuierliche Zusammenarbeit ist aber für bestimmte Institutionen wie die HÖB denkbar.
Der Erfolg der exemplarisch herangezogenen Projekte beruhte zum großen Teil auf der kontinuierlichen Arbeit der außerschulischen Institution und den damit zusammenhängenden Netzwerken, der Aura des neuen Lernortes und seiner speziellen Ausstattung die bereits längerfristig existierten. Zum Beispiel konnten freischaffende Künstler angesprochen werden, die in irgend einer Weise schon in früheren Projektzusammenhängen für die Institutionen tätig waren.
Die Zusammenarbeit mit den Schulen war besonders erfolgreich, wenn durch frühere Zusammenarbeit ein gewisses Vertrauen in die Qualität der Arbeit vorhanden war und Projekte dadurch auch in den Unterricht integriert werden konnten.
Es scheint wichtig Informationen über vergangene Kooperationen und neu entwickelte Angebote außerschulischer Akteure zu koppeln, und für Schulen leicht zugänglich zu machen. Solche Informationen könnten dann auch anderen Schulen als Anregung dienen und eine qualitative Entwicklung dokumentieren.

Zeit- und Raumstrukturen
Den Bedarf der Schule, die Außenkontakte der Kinder in den Stadtteil zu gewährleisten und zu beleben, bestätigen die anwesenden LehrerInnen. Aufgrund gegenwärtig fehlender Lehrerressourcen für diese wichtige Arbeit, wäre eine Schulsozialpädagogen Stelle für solche Angelegenheiten anzugliedern. Dem wird entgegen gehalten, dass die Aufgaben für eine solche Stelle schon jetzt so umfangreich wären, dass sie sofort innerhalb der Schule verschlungen werden würde.
Man sollte eher einer Co-Schulleitung kulturelle Vernetzungsaufgaben und die Organisation künstlerischer Experimentierfelder übertragen. Durch die hohe Einstufung, sei erst die Bedeutung der Aufgabe manifestiert. Diese Stelle könnte auch die Aufgabe der angesprochenen notwendigen Vermittlung von Individualförderung übernehmen. Hierzu gehört die Heranführung der Schüler an Verbände und Vereine der Jugendarbeit besondere Neigungsgruppen und Qualifikationswege für Kinder mit besonderen Begabungen, sowie Informations- und Recherchenorte wie HÖB. Diese individuellen Fördermöglichkeiten könnten aufgrund der bequemen Verweildauer in der Schule einzelnen Kindern sonst nicht mehr zur Verfügung stehen.

Rahmenbedingungen
Im Zuge der sich rapide verändernden Kindheit wird es immer wichtiger in der Unterrichtszeit, auch außerhalb des Stadtteils regelmäßig Lern- und Kulturorte aufzusuchen. Aus der praktischen Erfahrung ist dies jedoch oft ein Problem: Schulklassen kommen oft nicht in andere Einrichtungen, da die notwendige Begleitung fehlt. Deshalb wird es für sinnvoll erachtet, Gruppen einerseits kostengünstig die Nutzung der Verkehrsmittel zu ermöglichen und andererseits die Einführung eines zentralen Begleitservices anzuregen, wie sie die Hochbahn z.B. zur Begleitung alter Menschen anbietet.
Lehrer sollten Anregungen durch andere Fachkräfte auch in den Unterricht an der Schule einfließen lassen können. Ein „Teamteaching“ brächte die Möglichkeit Klassen weiter in Teilung zu unterrichten ohne dem Externen Künstler die Benotung zu übertragen. Für solche Modelle wären die Rahmenbedingungen – Verträge u.ä. relativ einfach abzustecken.
Ergänzend wird auf die in 2001 eingeführte Maßnahme „Kompetenz Plus“ verwiesen, die Möglichkeiten bietet, eine Lehrer- oder Teillehrerstelle umzuwandeln, um damit andere Kräfte zu bezahlen.

Fazit
Um eine erfolgreiche Zusammenarbeit aller Lernorte zu gewährleisten, ist eine geregelte Kommunikation wesentlich. Verbesserte Rahmenbedingungen, Vertrauen und Klarheit der Ziele können eine konstruktive Annäherung zwischen Schule, Stadtteilangeboten und Kulturbetrieben gewährleisten. Treffen wie dieser Workshop können zum Verständnis beitragen und weiterführende Diskussionen solidarisch, vorurteilsfrei und konstruktiv gestalten helfen.
Die LAG Kinder- und Jugendkultur ist willens diesen Prozess produktiv zu unterstützen, hat aber noch nicht alle Voraussetzungen beisammen.
Die Entwicklung einer Datenbank, in welcher kulturelle Angebote nach bestimmten Kriterien abgefragt werden können, kann die Partnersuche erleichtern und langfristig Qualität sichern. Das erscheint Allen sehr sinnvoll.

Protokoll: Remo Küchle, Sylvia Deinert

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